Inhalt der Website:: La Lupa ist anders. Wenn die in Zürich lebende Tessinerin italienische Lieder oder Gedichte singt, taucht sie in die Ozeane der Gefühle ein - und mit ihr das Publikum. Was heisst singen: La Lupa erleidet die melancholisch-tragischen Texte. Dann trägt ihr Vortrag Brecht'sche Züge. Doch wo echter Witz vor (fast) nichts haltmacht, darf Tragik komisch werden, Frivolität ergreifend.
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Schweizer Illustrierte, von Eveline Hasler
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Auf, ziehen wir unsere modisch-grauen Mäntel an, und gehen wir abends dorthin, wo man Farbe benennt: zu La Lupa!
Wie immer im März gastiert die Tessiner Sängerin mit den brandroten Haaren in Zürich im Kleintheater Stok. Doch nicht nur ihre Haare und ihre wehenden Kleider bekennen Farbe. Auch die Programme liegen mit ihrem Gefühlshaushalt und den suggestiven Titeln quer zum grauen Mause-Einerlei. "Con malizia e passione" oder "L'odore della libertˆ" nannten sich etwa frühere Produktionen, und dieses Jahr heisst es: "Volo e mi ricordo".
Da kommt also Südländisches hoch. Zwar lebt die Tessinerin in Zürich, hier schlägt ihr Herz (Herz auch der Name ihres Mannes!), und doch singt sie Volkslieder aus dem südeuropäischen Raum, wird so gewissermassen zu einer lebendigen Brücken zwischen zwei Kulturen.
Im Alleingang kreiert sie ihre Programme, sucht die Volkslieder in Archiven und Liedersammlungen. Nein, keine Folklore, wehrt sie ab. Leicht eingängig ist da nichts, aber was sie singt, erwacht zu neuem Leben.
In diesem Frühjahr hat sie zum ersten Mal den Mut, ohne instrumentale Begleitung, solo, aufzutreten, ganz auf ihre Stimme, ihre persönliche Ausstrahlung vertrauend. Die Stimme, allein gelassen, wirkt würzig, archaisch, manchmal tief und vibrierend, dann wieder scharf, schrill oder blechern. Immer wieder erinnert diese Stimme an harte und metallene Klänge zwischen den Granitwänden im Onsernonetal. Jedes Jahr im August gibt La Lupa, gewissermassen als Hommage an ihre Landsleute, in ihrem Geburtsort Comologno ein Freiluftkonzert.
Als ich das erste Mal zu einem solchen Ereignis die kurvige Strasse hinauffuhr, verschlug es mir fast den Atem vor Überraschung, oben in der Bergeinsamkeit diesen kleinen Kosmos zu entdecken. Unter den Bergwänden herrschaftliche Palazzi, aber auch stattliche Bauernhäuser mit den charakteristischen "Lobbie", den Holzbalkonen, die einst zum Trocknen der Strohbänder gedient haben. Die Strohindustrie, die damals zur Fabrikation von Hüten diente, hatte dem Tal vor Jahrzehnten relativen Wohlstand gebracht (liebt La Lupa deshalb Hüte? Sie trägt mit Vorliebe die verwegensten Modelle auf ihren roten Haaren).
Doch zurück zu jenem Augustabend. Die Einwohner sassen auf den noch warmen Granittreppen, und die Sängerin trat auf dem kleinen Platz vor der Kirche auf. Für einmal verstand man auf Anhieb ihren Dialekt, hier hatte sie keine Erklärungen zu geben. Grosse Worte macht man da oben nicht, aber man konnte spüren, La Lupa ist mit ihrem Gesang zu Hause angekommen: Doch auch wenn La Lupa in Wiesbaden oder im Piemont singt, sieht sie die Gesichter und Geschichten hinter "ihrer Leute" vor sich: Da sind die Bergbewohner mit den verhaltenen Leidenschaften, die Schmuggler, kleinen Gauner und die Töchter, die es in der Enge nicht mehr aushalten und abhauen in die Stadt. Mit Schalk und Komik erzählt und singt La Lupa von diesen Ereignissen und Lebensläufen. Immer mahnt da auch die Gestalt des Vaters, der sich im Leben "so sehr abgerackert" hat, wie La Lupa erzählt. Die Männer aus dem Onsernonetal mussten in Frankreich oder in der Svizzera interna als Gipser und Maurer Arbeit suchen, nur an Weihnachten kamen sie zurück ins Tal brachten den Verdienst, verwöhnten den Nachwuchs und machten der Frau ein neues Kind. Wenn die Väter wieder verschwunden waren, sahen sich die Mütter allein mit den kargen Äckern, den Schafen und Ziegen, den Sorgen um die Existenz. In einigen von La Lupas Programmen fliessen diese Erlebnisse ein. So erzählt sie mit der Schauspielerin Nicola Weisse zusammen in den Wiegenliedern "Ninna Nanna" von der Plackerei und der Ungeduld der überforderten Frauen.
Dass La Lupa italienisch singt, ja oft in einem der italienischen Dialekte, stört erstaunlicherweise den deutschsprachigen Zuhörer kaum. Die Sängerin versteht es, ihn wörtlich ins Bild zu setzen: durch Worte in klarer Diktion, durch Mimik, Bewegungen. Sie verwandelt sich in den Gauner der Brennesselbande oder in das Mädchen, das nachtwandlerisch einen Liebhaber sucht.
Melancholie und Lebensfreude stehen, wie in ihrer Kindheit im Onsernonetal, auch auf der Bühne nahe beisammen. Im neuen Programm fliessen zwischen den meist napoletanischen Liedern - viele stammen von Salvatore Di Giacomo - Texte ein von Garcia Lorca, Neruda, Pessoa und Umberto Saba, eine Wortcollage entsteht über Leidenschaft, Eifersucht und Angst. Gefühle - auch sie sind bunte Vögel -, wem sind sie unbekannt? Doch in einer Stadt, wo es von Psychologen und Psychiatern wimmelt, dürften sie selten so frei herumfliegen wie bei La Lupa.