Inhalt der Website:: La Lupa ist anders. Wenn die in Zürich lebende Tessinerin italienische Lieder oder Gedichte singt, taucht sie in die Ozeane der Gefühle ein - und mit ihr das Publikum. Was heisst singen: La Lupa erleidet die melancholisch-tragischen Texte. Dann trägt ihr Vortrag Brecht'sche Züge. Doch wo echter Witz vor (fast) nichts haltmacht, darf Tragik komisch werden, Frivolität ergreifend.
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Schweizer Familie
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Das Publikum lacht - vielstimmig und zustimmend. "Sind denn etwa alle gekleideten Menschen uneitel?", hat La Lupa eben auf der Churer Klibühni augenzwinkernd gefragt. Zuvor hatte sie über bunte Kleidung philosophiert, Gedichte rezitiert von Garcia Lorca, Neruda oder Pessoa und gänzlich ohne Musikbegleitung traditionelle italienische Lieder vorgetragen.
Ein paar Tage vor dem Auftritt hatte uns die 53-jährige Tessiner Sängerin in ihrer Jugendstilwohnung in der Nähe des Zürcher Centrals empfangen. Mit einem warmen Lächeln, kaum geschminkt und in einem orangen Hausanzug. "Habt ihr schon gefrühstückt? Trinkt Ihr einen Tee?", begrüsst sie uns und begann sofort in der Küche zu hantieren. Am Küchenschrank klebt das Plakat zum Dokumentarfilm "La Lupa Grazie alla vita". Wenig später schritt sie vor uns durch den Flur, vorbei am grossen Spiegel, der von Dutzenden ihrer extravaganten Hüte eingerahmt wird. Wie die gesamte Wohnung und der barocken Erscheinung La Lupas zum Trotz ist auch das Esszimmer karg eingerichtet. Prunkstück ist eine weissblaue, gefiederte Maske, die auf einem Sockel thront.
Auf dem Tisch dampft exotisch anmutender "Popcorn-Grüntee" in altmodisch-geblümten Tassen. Kaffee verträgt sie nicht. In einer Ecke hängen zwei alte Familienbilder. Die Familie, nicht "la famiglia" sie vermeidet es, ihre Sätze mit Italianità zu verbrämen - ist ihr wichtig, und sie besucht ihre achtzigjährige Mutter alle zehn Tage in Locarno in deren Alterswohnung. "Sie hat mich völlig im Griff", wird sie später mit liebevoller Entrüstung sagen. Aber auch, dass ihr niemand so viele Komplimente mache wie ihre Mutter.
Wir sprechen darüber, wie es dazu kam, dass das Mädchen aus dem Onsernone-Tal, das damals schon den übernamen Lupa - Wölfin - trug, Sängerin wurde. "Alle Tessiner singen immer", kokettiert sie, lacht scheppernd und erzählt, wie sie noch als Maryli Maura Marconi in Bellinzona die Handelsschule besucht und danach eine Stelle bei einer Zürcher Bank angenommen hat. Dort lernte sie den Bankkaufmann Markus Herz kennen, mit dem sie nun seit dreissig Jahren verheiratet ist.
"Sie ist schon ganz speziell", sagt Herz über seine Frau im Dokumentarfilm der jurassischen Filmerin Lucienne Lanaz. Ende April wird er in Bern und Zürich im Kino gezeigt. La Lupas Mann scheut die öffentlichkeit. Das Mitmachen beim Film war eine Ausnahme. Er sei sehr grosszügig und lasse ihr viel Freiheit, sagt sie. Mehr lässt sie sich dazu nicht entlocken und lenkt das Gespräch zurück auf Kindheit und Kunst. "Ich habe immer gesungen", sagt sie, "schon als kleines Kind bin ich zusammen mit meiner zwei Jahre älteren Schwester aufgetreten." Und als müsste sie die Richtigkeit ihrer Aussage beweisen, wirft sie sich in Pose und lässt ein paar Töne erklingen.
In Zürich trat sie mit Tessiner Volksliedern zuerst im Freundeskreis auf, seit zwanzig Jahren erarbeitet sie alle zwei Jahre ein neues Programm und geht unbeirrbar ihren Weg. "Kommerziell ist meine Kunst nicht", sagt sie. Aber auch wenn sie auf Italienisch singt, ist ihre Botschaft einfach zu verstehen. Nicht, weil sie ihre Lieder jeweils in perfektem, mit leichtem Akzent gefärbten Hochdeutsch erklärt, sondern weil sie ihre Lieder zum Leben erweckt.
"Ausdruckssängerin" nennt sie sich, und das beschreibt ihre Kunst treffend. Wenn sie sich nämlich, wie in ihrem derzeit laufenden Soloprogramm "Volo e mi ricordo", auf der Bühne zusammensinken lässt, ihre klagende Stimme aus tiefstem Inneren hochgurgelt, so dass ihr blaues Seidenkleid plötzlich traurig schwarz erscheint, ist man überwältigt. Noch überraschter ist man, wenn dieselbe Frau wenige Minuten später leichtfüssig wie ein junges Mädchen herumhüpft, verführerisch lächelt und ein fröhliches Lied anstimmt. Eine Gesangsausbildung hat La Lupa nie gehabt. "Die versuchen mir bloss zu sagen, wie es geht, doch das muss ich selbst herausfinden." Regeln missfallen ihr ohnehin, und selbst pflegt sie nur wenige Rituale - ein tägliches Bad und Jogaübungen, die sie vor den Auftritten macht. Und viel zu oft kaufe sie sich Butterbrezeln, gesteht sie, steht auf und zeigt auf die Bäckerei visá-vis. "Die Leute dort sind auch die einzigen, die mich ungeschminkt kennen." Morgens husche sie jeweils bloss mit einem Mantel über dem Nachthemd über die Strasse, um sich etwas zum "Zmorge" zu kaufen. Die einzige Schlamperei, die sich die fisthetin zugesteht - "Die Gier treibt mich."
Für die Fotos schminkt sie sich und zieht eines ihrer farbenfrohen Kleider an. Die Badezimmertür steht offen, und wir plaudern weiter. über das Essen, ihre unzähligen Hüte und Schuhe - darüber mag sie nicht mehr reden. "Ich werde mittlerweile nur noch auf ässerlichkeiten reduziert", meint sie und fügt hinzu, dass sie es leid sei, in irgendeine Schublade gesteckt zu werden.
Nach dem Fotografieren kaufen wir in ihrer Lieblingsbäckerei Butterbrezeln und Canapés, und die Passanten drehen sich um nach der stattlichen Frau. Zurück in ihrer Wohnung, kreist das Gespräch ums Altern. "Die Vergänglichkeit ist unser einziges Problem", sagt sie zwischen zwei Tassen Tee und ergänzt, dass der Gedanke an den Tod sie ständig begleite. Er ist ein zentrales Thema in ihrem Leben. Als ihr Vater Anfang der Neunzigerjahre starb, war ihr Bühnenprogramm geprägt von Trauer. Zudem singt sie seit elf Jahren jeweils in der Karwoche die Lamenti - alte venezianische Trauerlieder - vom Turm des Zürcher Grossmünsters oder von der St.-Peters-Kirche herab. Erneut lässt sie ein paar vibrierende Töne im Raum widerhallen. "Wenn ich singe, spüre ich meine Lebenskraft am stärksten - selbst wenn es etwas trauriges ist."